Kommentar von EWS-Präsident Dr. Ingo Friedrich, 26.05.2025
Perspektiven und Aufgaben der neuen Bundesregierung
Die neue deutsche Regierung mit Kanzler Friedrich Merz sieht sich einer völlig neuen Weltlage gegenüber. Über lange Jahre war Amerika zuständig für die Sicherheit, Russland lieferte die billige Energie und in China wurden deutsche Produkte billig nachgebaut. Alle drei Säulen sind nun weggebrochen: Heute ist Deutschland und Europa selber für die Sicherheit zuständig. Russland fällt als Energielieferant aus und China bietet modernste Technologie weltweit nahezu konkurrenzlos an. Das bedeutet neue Herausforderungen, neue Probleme und immense auch finanzielle Anstrengungen.
Positiv ist, dass die europäische Zusammenarbeit in der EU dazu beitragen kann, diese Herausforderungen zu bewältigen:
Mit England stehen immerhin 530 Millionen Europäer, nur 160 Millionen Russen gegenüber, so dass allein von den Zahlen her Europa auch ohne Amerika verteidigungsfähig sein müsste. Und der große europäische Binnenmarkt ermöglicht - wenigstens theoretisch – mit den Giganten der Welt technologisch und finanziell mitzuhalten.
Auf nationaler Ebene sieht sich die neue Regierung mit fünf zentralen, strategischen Problemen konfrontiert:
- Zu hohe Sozialkosten
Der Staatsanteil beträgt inzwischen über 50 % des Bruttosozialproduktes, was eindeutig zu viel ist. Die Finanzierung der Renten nimmt inzwischen den höchsten Anteil noch vor Verteidigung und Schuldendienst im Staatshaushalt ein. Hier sind dringende Reformen notwendig, etwa die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die grundsätzliche Reformierung des sog Bürgergeldes. Mit der Idee eines steuerfreien Einkommens in Höhe von 2000 € für Rentner ist ein erster sehr kleiner Schritt gemacht. Weitere müssen folgen.
- Zu hohe Bürokratiekosten
Das Missfallen über die allgegenwärtige Bürokratie in nahezu allen Bereichen ist inzwischen unüberhörbar geworden. Auf nationaler und europäischer Ebene wurden deshalb – Gott sei Dank – die Weichen grundsätzlich umgestellt: die Entlastung der Wirtschaft, die breite Streichung von Vorschriften (sog. Omnibus-Modell) und der Vorrang der Wettbewerbsfähigkeit sind inzwischen die wichtigsten Zielsetzungen. Gerade im Wohnungsbau und bei der Gründung neuer Unternehmen sind Erleichterungen unabdingbar, wenn die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung kommen soll.
- Senkung der Energiekosten
Aus heutiger Sicht war die Abschaltung der Atomkraftwerke sicher zu früh. Andere Länder bauen sowohl in Europa als auch in in der ganzen Welt, neue AKWs. Die erneuerbaren Energien sind zwar auf den ersten Blick kostengünstiger aber ihre extrem schwankende Verfügbarkeit macht sie dann doch im Einzelfall sehr teuer. Bei hoher Nachfrage steigt der Börsennotierte Strompreis um bis zu 1000 %! Und es ist damit zu rechnen, dass die Nachfrage nach Strom etwa durch künstliche Intelligenz und durch Elektroautos noch noch deutlich zunehmen wird. Dringend notwendig sind dafür Speichersysteme, die Nachfrage und Angebot besser in Einklang bringen.
- Der Fachkräftemangel
Bei der Diskussion über die Migration wird meistens nur über eine Reduzierung nachgedacht, nicht aber über eine kluge Steuerung der Zuwanderung, die darin bestehen würde, benötigte Fachkräfte anzuwerben. Angesichts der sinkenden Geburtenrate ist eine Zuwanderung von Fachkräften für die deutsche Wirtschaft außerordentlich wichtig. Auch über eine bessere Förderung begabter Nachwuchskräfte muss nachgedacht werden. Das gilt gleichermaßen für Schule, Akademien und Betriebe. Auch in den Medien sollte mehr über Erfolgsgeschichten und nicht nur über Katastrophen berichtet werden.
- Neue Arbeitsmentalität
In den Medien ist viel über Life Work Balance und Viertagewoche die Rede, nicht aber über erforderliche Spitzenleistungen und mehr Arbeit. Eine Statistik der OECD weist drauf hin, dass die Arbeitszeit in Deutschland inzwischen die geringste in ganz Europa ist. Ein breiter Aufschwung der Wirtschaft ist mit dieser Mentalität nicht erreichbar.
Einige konkrete Maßnahmen der neuen Regierung lassen Hoffnung aufkommen:
So soll der Automobilstandort Deutschland deutlich gestärkt werden, der Ausbau der Ladesäulen soll jetzt wirklich vorangetrieben werden und günstige Elektroautos sollen endlich auf den Markt kommen und auch das absolute Verbrennerverbot soll zeitlich verschoben werden.
Eine neue Hightech Agenda soll Spitzentechnologien und hoch qualifizierte Startups besonders fördern. Dazu zählen auch Raumfahrt und künstliche Intelligenz. Als positives Beispiel aus der Geschichte sei erwähnt, dass Europa in der Lage war mit dem Airbus ein erfolgreiches Konkurrenzmodell zu der damals riesigen Firma Boing aufzubauen. Die Botschaft lautet: Deutschland und Europa können es, wenn man nur will.
Auch die grundsätzlich neue Politik für die Bundeswehr wird positive Auswirkungen haben. Viele Erfindungen und Technologien hatten ihren Ursprung im Militärbereich und die konjunkturellen Auswirkungen dieser Ausgaben sind auch nicht zu unterschätzen.
Offene und schwierige Baustellen werden sein die Einbremsung der Schulden und die Vermeidung höherer Inflationsraten. Auch die Reduzierung des CO2 Ausstoßes wird an Tempo verlieren.
Insgesamt sollte der neuen Regierung eine faire Chance gegeben werden, zumal die ersten gerade außenpolitischen Schritte durchaus zu Optimismus Anlass bieten.
Dr. Ingo Friedrich